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Stellungnahme zum Philosophieunterricht des ersten Quartals 12.1 mit dem Thema: Moralische Regelsysteme verschiedener Kulturen zu unterschiedlichen Zeiten

Unter dem Oberthema ,,Probleme des menschlichen Handelns" stiegen wir in die Thematik der unterschiedlichen Sittenkodizes mit einem Aufsatz von Bertrand Russell mit dem Titel ,Andere Länder und Zeiten - andere Sitten" ein. Ich möchte meine Stellungnahme nicht nur aus Gründen der chronologischen Wiedergabe, sondern auch wegen der übergreifenden Bedeutung dieses Textes damit beginnen. Russells Essay steht im Vergleich zu den verschiedenen Kodizes auf einem gedanklich höheren Niveau; denn Russell überblickt die große Anzahl unterschiedlicher Kodizes, versucht sich von seinem eigenen zu befreien und ihn somit kritisch zu hinterfragen. Dabei macht er mit seiner Thematisierung der vergeblichen Suche nach einem allgemeingültigen Bewertungskriterium erst auf die entscheidende Problematik der Beurteilung von moralischen Normen aufmerksam. Er zeigt dem Leser durch Beispiele, wie er die populären Bewertungschemata, wie z.B. ,,unsere Kultur ist natürlich die Beste" oder ,,jeder lebe nach seiner Facon" einzeln entkräftet. Allerdings gibt er in seinem Aufsatz keinen Lösungsvorschlag zu einem zu nutzenden, wirksamen Kriterium an.

Nach unserer Beschäftigung mit dem Text wurden als allgemeiner Wertmaßstab der Kulturen die Ideen des interkulturellen Humanismus vorgeschlagen. Diese philosophische Denkweise ist eigentlich keine selbständige Richtung, sondern vielmehr der Versuch die Weltreligionen und Philosophien auf einen möglichst kleinen gemeinsamen Nenner zu bringen, ohne dabei die Vielfalt aufzugeben.

Es ist in all der Unterschiedlichkeit der Kulturen und die diese stark prägenden Religionen ein gemeinsamer Punkt, daß alle Völker ihre eigene Kultur für die unanfechtbar beste halten und zwar mit der nicht zu entkräftenden metaphysischen Begründung, Religion sei gottgeben. Zur Untersuchung, ob es neben allem Trennenden auch wirkliche Gemeinsamkeiten gibt, schauten wir uns einige Sittenkodizes verschiedener Kulturen unter Berücksichtigung von Russells Kriteriumsgedanken und den Theorien von interkulturellem Humanismus und Weltethos an:

Um die unterschiedlichen Moralvorstellungen theoretisch einordnen zu können, spannten wir einen panoramaartigen Blick mit den Eckpfeilern interkultureller Humanismus, ethischer Egoismus (Max Stirner), Nihilismus (Ulrich Horstmann) bis hin zu den politischen Denkrichtungen des Sozialismus und des Nationalsozialismus (Rassismus) auf ein Extrembeispiel einer uns sehr fernen Kultur ist der Sittenkodex zum Welt- und Menschenbild der Papuas, eines auf den Inseln Neugineas lebenden Stammes. Diese nach unseren Verhältissen eher unterentwickelte Eingeborenenkultur (schon wieder voreingenommene Wertung!) besitzt eine klar gegliederte Hierarchie innerhalb des Stammes. Jeder stammfremde Mensch ist automatisch ein potentieller Feind für die Eingeborenen.

Ähnliche Züge des Denkens in Freund- und Feindkategorien finden wir auch bei den politisch absolut konträren Denkrichtungen des Sozialismus (linkspolitisch) und des Nationalsozialismus (rechtspolitisch). Im Gegensatz zu den Sozialisten gehören bei den ,,Nazis" nur die Angehörigen des eigenen Volkes zum ,,Freundeskreis", während die ,,Sozis" alle Menschen der einzig richtigen politischen Einstellung, natürlich des Sozialismus, zu ihren Freunden rechnen. Insofern kann man auch den ethischen Egoismus Stirners, der die absolute Verwirklichung des Ichs proklamiert, mit dem Rassismus Hitlers und Himmlers vergleichen. Denn sieht Stirner seinen Egoismus als totale Verwirklichung des Einzelnen ohne Rücksicht auf Verluste, so überträgt Hitler diesen Anspruch auf das ,,deutsche Blut", das man zum Selbstschutze auch mit Völkermord an den sowieso nur als ,,Menschentieren" lebenden anderen Völkern verteidigen muß. Die Massenvernichtung menschlichen Lebens liegt ganz auf der moralischen Linie des Nihilisten Horstmann (,,Das Untier"), der allerdings noch radikaler für die Auslöschung jeglichen Lebens plädiert, um ,die makellose Schönheit des Mondes zu erreichen".

Somit hatten wir die extrem gegensätzlichen Positionen von Menschenliebe und Achtung von moralischem Leben im Sinne des Weltethos bis hin zu der Forderung nach der totalen Vernichtung des Lebens aufgezeigt und kennengelernt. (....)

In der eigenen Familie gibt es geschriebene, aber hauptsächlich ungeschriebene Gesetze; diese Regeln einer Gemeinschaft kann man nun auch Schritt für Schritt auf eine höhere gesellschaftliche Ebene übertragen, z.B. die Stadt, das Bundesland, der Staat, Europa und letztendlich die gesamte Menschheit. Oberflächlich gesehen sind alle Moralkodizes erst einmal mit gleicher Intention verfaßt worden, nämlich einer Gesellschaft Normen und auch Gesetze zu geben, die das Zusammenleben regeln. Insofern ist ein vorhandenes Regelsystem erst einmal besser als kein Regelsystem; sonst herrschte überall Anarchie. Will man also so etwas wie einen allgemeingültigen Moralkodex aufstellen, der oberhalb aller anderen anzusiedeln sein soll, muß man nicht nur die Wirkung für das eigene Volk sondern auch für andere Völker bzw. die gesamte Menschheit berücksichtigen. Und diese Forderung der Allgemeingültigkeit mit einer positiven Wirkung und mit einem Gewinn für alle, ist genau der Punkt, der die Ideen des interkulturellen Humanismus und die des Weltethos von den Kodizes der Nazis, Sozis und Papuas unterscheidet. Im Gegensatz zu dem Aufbauen eines Feindbildes bei den gerade genannten, versuchen Verfechter des interkulturellen Humanismus einen gemeinsamen Nenner für das geregelte Zusammenleben der Völker zu finden, durch Vorschläge wie die Menschenpflichtenerklärung, ohne dadurch die Vielfalt einzuschränken zu wollen und gar eine Einheitlichkeit zu schaffen. Die Menschenpflichtenerkklärung, die der InterActionCouncil, eine Vereinigung ehemaliger Staatschefs, der UNO vorgeschlagen hat, ist ein erster praktischer Schritt, um die Theorie des interkulturellen Humanismus umzusetzen, und so die Welt moralischer zu machen. Sie ist eine der wenigen wirklich praktischen Versuche die breite Kluft zwischen Theorie und Praxis bei der Umsetzung solcher Gedanken zu überbrücken. Doch wie soll eine praktische Wirkung erzielt werden, wenn ihr nicht vorher ein theoretisches Konzept vorausgeht? Zwar ist es schwieriger das Bewußtsein in den Köpfen der Völker zu ändern, als eine Menschenpflichtenerklärung zu konzipieren und niederzuschreiben, aber wie soll Moral verwirklicht werden, wenn nicht vorgegeben wird, was moralisch ist und was nicht. Somit halte ich also die Vorgehensweise des InterAction Councils für richtig, nämlich zunächst einen verwirklichbaren Vorschlag zu machen und dann optimistisch auf die Selbsterkennmis der Menschen und ihre spätere Verhaltensänderung zu hoffen.

Mit der Durchsetzung der Menschenpflichtenerklärung hat sich der InterActionCouncil sehr hohe Ziele gesetzt. Aber ich finde eine Kritik an der Nichtdurchsetzbarkeit der Erklärung unsinnig, denn bei einer Verallgemeinerung einer solchen Kritik würde dies bedeuten, daß alle Regeln, die nicht durchführbar erscheinen, falsch sind. Jedoch ist hier der gedankliche Ansatzpunkt falsch, nicht die Regel an sich.

Analysiert man die letzten real-politischen Entwicklungen z.B. im Kosovo, in Ost-Timor oder im Kaukasus auf ihre Moralhaftigkeit im Sinne der Menschenrechts- und der Menschenpflichtenerklärung, so wird deutlich, daß eine radikale Bewußtseinsänderung hin zu einer weitreichenden Ethik im Zeitalter der Globalisierung zwingend notwendig ist, um die Menschheit auf dem Weg zur Weltbürgergesellschaft, in der Freiheit, soziale Gerechtigkeit und ethische Normen als echte Werte gelten, zu leiten.

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