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Stundenprotokoll der Philosophiestunde vom 26. 03. 99 zum Ausbruch des Kosovo-Kriegesder

Aus aktuellem Anlaß führten wir eine Diskussion über die zwei Tage zuvor gestarteten Luftangriffe der NATO auf Restjugoslawien.

Um eine sachliche Diskussion führen zu können , legten wir zunächst verschieden Ebenen der Diskussion fest:

1. Individuelle Ebene (persönliche Beziehungen ,Erfahrungen etc.)

2. Nationale Ebene (staatenspezifisch , z.T. gesplittet in verschiedene Teilbereiche dieser Staaten)

3. Europäische Ebene (NATO-Staaten mit den "Wortführern" Deutschland - Frankreich – Großbritannien etc.)

4. Westliche Ebene (NATO - Staaten untereinander)

5. Weltebene (NATO zum Rest der Welt)

Die Diskussion als Gesamtes kreiste jedoch immer wieder um 8 wesentliche Gesichtspunkte:

1. Ist der Kosovo-Konflikt ein Risiko für den Weltfrieden?

2. War das Eingreifen der NATO notwendig und was wäre bei einem Nichteingreifen geschehen?

3. Gibt es eine Rechtsgrundlage für den Militärschlag und existiert eine Möglichkeit der moralischen Rechtfertigung?

4. War das Verhalten der BRD richtig?

5. Sind die Reaktionen Chinas und v.a. Rußlands ernstzunehmende Gefahren?

6. Ist eine Reform der Vereinten Nationen und v.a. des UN-Sicherheitsrates notwendig und sollte man dabei von der Einstimmigkeit abweichen?

7. Werden wir durch unsere Medien im Sinne einer Kriegspropaganda manipuliert ?

8. Wie wird die Zukunft des Kosovo politisch aussehen? Welche Bedeutung hat das Eingreifen der NATO auf die zukünftige internationale Politik? Macht das Beispiel der NATO Schule?

Nachdem Versuche den Kosovo-Konflikt mit diplomatischen Mitteln (Verhandlungen in Schloß Rambouillet) zu lösen gescheitert sind , hat die NATO 2 Tage zuvor erste Angriffe auf Serbien und den Kosovo geflogen, um Serbien zu zwingen, die Vertreibung der Kosovo-Albaner zu beenden und den Einmarsch einer NATO-Friedenstruppe zuzulassen.

Durch die Beteiligung der Konfliktparteien ( NATO-Mächte , der pro-serbischen Staaten und der umliegenden Länder (wie z.B. Mazedonien und Albanien)) könnte der Kosovo-Krieg zum Risiko für den Weltfrieden werden. Eine Ausdehnung auf Nachbarländer auf dem Balkan ist möglich. Eine drohende Gefahr ist das Eingreifen Rußlands ,das sich unmißverständlich gegen die Angriffe ausgesprochen hat . Da Rußland momentan wirtschaftlich sehr schwach und innenpolitisch instabil ist , könnte es ,um seine internationale Reputation aufzubessern , und durch die Angriffe der NATO aufgehetzt zu den Waffen greifen. Diese zwar unwahrscheinliche aber dennoch nicht ganz unrealistische Gefahr schwebt auch trotz der Zurücknahme der russischen Drohung des Eingreifens durch Jelzin noch im Raum. Die Abhängigkeit Rußlands vom internationalen Währungsfond (IWF) mildert die Gefahr ein wenig.

"Ist also durch Krieg Frieden zu schaffen?" ,war die Leitfrage der Diskussion. Leidet die Zivilbevölkerung im Kosovo und in Gesamtserbien mehr unter den Angriffen der NATO auf militärische Ziele oder wurden die Massaker der Serben durch die Angriffe der NATO schlimmer? Was wäre passiert, hätte die NATO nicht eingegriffen? Die Argumentation der NATO durch ein schnelles Eingreifen könne größerer Schaden vermieden und eine schnelle Lösung gefunden werden konnte von uns allerdings auch nicht von der Hand gewiesen. Doch die Frage nach dem was wäre wenn wurde schnell beiseite gelegt ,da sie auch nach dem Beginn der Angriffe irrelevant ist.

Einen hohen Stellenwert in unserer Diskussion hatte die Frage nach der Rechtsgrundlage und damit auch der Rechtfertigung der Angriffe. Im Völkerrecht ist die von den NATO-Staaten konstruierte "humanitäre Katastrophe" nirgends verankert. Als Rechtfertigung für ein militärisches Eingreifen werden hier nur Selbstverteidigungszweck und grober Friedensbruch genannt. Laut eines von Herrn Gansczyk zitierten Bochumer Rechtswissenschaftlers liegt hier jedoch keines von beiden vor und die Angriffe entbehren damit jeder internationalen rechtlichen Grundlage. Wir verwiesen in diesem Zusammenhang auch auf die bereits vom Verfassungsgericht abgewiesene Verfassungsklage der PDS gegen die Beteiligung der Bundeswehr an den Angriffen.

Ist also der Angriff der NATO-Staaten moralisch nicht gerechtfertigt, da keine passende Rechtsgrundlage vorliegt? Oder ist nur das (kaum vorhandene) internationale Recht reformbedürftig? Diese Fragen brachten uns zu der Forderung nach neuen europäischen bzw. internationalen Rechtsnormen. In Fortführung dieses Gedankens kamen wir auch auf die Rolle des Weltsicherheitsrates bei der Verabschiedung von UN-Mandaten zu sprechen. Ein UN-Mandat für die Angriffe der NATO auf Jugoslawien ist aufgrund der notwendigen Einstimmigkeit im UN-Sicherheitsrat durch die Ablehnung Chinas und Rußlands nicht verabschiedet worden. So lähmt sich die UN selbst in der Ausübung ihrer Autorität durch diese kaum zu erreichende Einstimmigkeit. Der Vorschlag eine 3/4 Mehrheit einzuführen wurde gemacht. Daraufhin wurde einwendend der Fall einer Abstimmung gegen die USA konstruiert. Würde sich der militärisch mächtigste Staat der Welt einem solchen Beschluß beugen oder würde man eine andere Lösung mit Hilfe militärischer Gewalt zu erzwingen suchen?

Dieser Gedanke führte uns zu einem Sprung auf der Zeitachse in die Zukunft. Macht das Beispiel der NATO bei einer moralisch bedenklichen Situation zu den Waffen zu greifen Schule und werden daher in naher Zukunft Großmächte wie China und Indien ebenso handeln ohne erst vergeblich auf ein UN-Mandat zu warten? Wie kann man also internationales Recht durchsetzen?

Anschließend diskutierten wir die Rolle Deutschlands in diesem Krieg. Hat sich Deutschland richtig verhalten, indem es aktiv an diesem Krieg zusammen mit den USA, Großbritannien und Frankreich teilnimmt? Nimmt Deutschland nur aus Solidarität zu seinen NATO-Bündnispartnern oder aus eigener Überzeugung gegen die "humanitäre Katastrophe" teil? Ist es wichtiger zu seinen Bündnispartnern zu stehen oder sollte man sich aufgrund des nicht vorhandenen UN-Mandates nicht mit Hilfe der NATO zur Polizei in Europa aufspielen? In diesem Zusammenhang wurde auch überlegt ,ob die Angriffe nicht auch zu einer Spaltung innerhalb der NATO führen könnten. Als Beispiel wurde Italien genannt ,daß sich gegen die Angriffe ausgesprochen hat.

Gegen Ende der Stunde wurde mit der Bedeutung der Medien ein völlig anderer Aspekt angesprochen. Werden auch wir hier in Deutschland manipuliert und betreiben die Medien hier ähnlich wie in Serbien Propaganda, indem sie Erklärungen und Berichte, die Erfolge aufzeigen veröffentlichen und negative Schlagzeilen tunlichst vermeiden? In diesem Ausmaß kann die Frage sicherlich nur verneint werden. In Belgrad wurden z.B. oppositionelle Radiosender abgeschaltet und ausländische Journalisten wurden des Landes verwiesen. Es gibt demnach keine freie Wahl der Informationsquellen mehr. In Deutschland haben wir aber durch zahlreiche in- und ausländische Zeitungen/Radiosender/Fernsehprogramme die Möglichkeit uns umfassend und aus verschiedenen Perspektiven zu informieren.

Fazit dieses ersten Teiles der Doppelstunde war die Forderung nach Reformierung des internationalen Rechts und des Modus der Verabschiedung von UN-Mandaten.

Wird man in Zukunft die Macht solcher internationalen Institutionen nicht entscheidend stärken können, ist selbst im Zeitalter der Globalisierung ein "Kampf der Kulturen" nicht auszuschließen.

Die nachfolgende Stellungnahmen derselben Schülerin Wilma Renfordt verdeutlicht, wie sie den Kosovo-Krieg in einen globalen Zusammenhang einbettet und aus eigener Sicht bewertet.

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