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Stellungnahme zum Philosophieunterricht in der 12.1 und dessen Bedeutung für mein eigenen Denken, Fühlen und Handeln

"Die Bedeutung von Regelsystemen für das menschliche Denken, Fühlen und Handeln: Dieses übergeordnete Thema stellte die Basis für den Unterrichtsinhalt unseres Philosophiekurses in der 12.1. dar.

Als Einstieg fingen wir zunächst im kleinen an und betrachteten die Wertvorstellungen und Normen einer uns völlig fremden Kultur anhand der 10 Gebote der Papuas, die eine Art Furchtkultur aufbauen und für das Handeln des Volkes von entscheidender Bedeutung sind (zumindest bei genauer Einhaltung, was anzunehmen ist).
Um unsere Distanz zu diesem Regelsystem abzubauen, setzten wir es mit den 10 Gesetzen der nationalsozialistischen Erziehung in Vergleich, wobei wir einerseits Parallelen, andererseits aber auch beträchtliche Unterschiede erkennen konnten.
Die Verschiedenheit von unterschiedlichen Kulturen macht sich auch Bertrand Russell zum Ausgangspunkt seines Textes "Andere Länder - andere Sitten", der auf einer höheren Abstraktionsstufe schon einen weiteren Blick freimacht, nämlich über eine Kultur mit ihrem Kodex hinweg übergreifend auf viele Kodizes.
Auch wenn diese noch so unterschiedlich sein mögen, so haben sie doch meistens eine Gemeinsamkeit: alle erheben den Anspruch darauf, der einzig richtige und wahre Kodex zu sein.
Russell stellt nun die Frage nach einem übergeordneten Kriterium, mit dessen Hilfe jeder Kodex beurteilt werden könne. Ein Ansatz zu einem übergeordneten System stellt womöglich das Welt-Ethos dar, das die Menschen zu dem Bewußtsein einer Weltgemeinschaft führen und über die verschiedenen Religionen und Sitten hinaus auf einer höheren Ebene eine weltweit geltende Basis ethischer Normen schaffen will.
Um den Sprung auf diese höchste Abstraktionsstufe zu schaffen, "versenkten" wir uns aber zunächst noch einmal in die einzelnen großen Kulturen und Weltreligionen, die unser Weltgeschehen geprägt haben und auch momentan bestimmen. Parallel und in Beziehung dazu befaßten wir uns mit dem Buch von Dennis und Donella Meadows: "Die neuen Grenzen des Wachstums", das uns die Dringlichkeit einer änderung unserer momentanen Ansichten und Gewohnheiten vorhält. In den Buchausschnitten, die wir besprachen, wurde deutlich, daß diese änderung in bezug auf die Erhaltung der Lebensgrundlagen unbedingt notwendig ist, da sonst eine wirtschaftliche und ökologische Katastrophe vorprogrammiert ist, die das Aussterben der vollständigen Menschheit bedeuten würde. Zusammen mit den Weltreligionen Buddhismus, Hinduismus, Judentum, Islam und Christentum, deren Weltbild, Normen und Lebensstile uns durch Referate nähergebracht wurden, konnten wir uns durch die Computersimulationen von Meadows einen Blick vom augenblicklichen Weltzustand im ökonomischen bzw. ökologischen sowie im religiösen und sozialen Sinne machen.
Solche Blicke auf den Weltzustand werden auch von den Autoren der Textauszuüge aus "Ja zum Weltethos", die wir vorgelegt bekamen, geworfen - und zwar aus völlig verschiedenen Perspektiven aus völlig verschiedenen Bereichen. Durch die Stellungnahmen so unterschiedlicher Autoren konnten wir uns nun auf die höchste Abstraktionsstufe begeben, auf der über die Weltreligionen hinaus ein Weltethos erfaßt werden kann. Dieses stellt nicht den Versuch dar, alle unterschiedliche Religionen und Kulturen zu vereinen und zu einer zu machen, sondern wertvolle Gemeinsamkeiten zu finden, über die dann darüber hinaus kulturübergreifende Regeln installiert werden können.

Das Weltethos ist sogar so abstrakt zu sehen, daß nicht nur ein übergeordnetes Kriterium für alle Religionen gefunden werden soll, sondern auch für alle weltlichen und wissenschaftlichen Bereiche.
Als Rückblick läßt sich also zum Unterricht zusammenfassen, daß wir die Bedeutung von Normen und Wertvorstellungen auf das menschliche Denken, Fühlen und Handeln in einer schrittweisen Steigerung von einer Abstraktionsstufe zu einer höheren erfaßt haben, die von einer konkreten Betrachtung einer kleinen, uns fremden Kultur über Einblicke in Weltkulturen bis zu der Erfassung des höchstmöglichen abstrakten Kriteriums, des Welt-Ethos, reichte.
Allerdings stellte dieser Themenverlauf unseres Unterrichts den wirklichen Inhalt der Stunden nur grob und vereinfacht dar. In Wirklichkeit trugen weitere Textstellen und Realitätsbezüge (z.B. ZEIT - Artikel) zur Perspektivenerweiterung und Konkretisierung unserer abstrakten Gedankengänge bei.
So wurde die Thematik aus den unterschiedlichsten Perspektiven heraus durchleuchtet. Gleichzeitig wurde aber immer die eine klare Entwicklung zur Abstraktion als Hintergrund aller verschiedenen Betrachtungen deutlich, die zur Erreichung der höchsten Abstraktionsstufe, der Betrachtung eines kulturübergreifenden, die ganze Menschheit betreffenden Ethos, führen sollte.

Auf mich persönlich hat der Unterricht eine große Wirkung gehabt.
Ich bin eindeutig sensibler geworden in der Wahrnehmung von Weltproblemen, aber auch von Problemen im privaten Kreis, die Ungerechtigkeit, Unfrieden und Zerstörung der Lebensgrundlagen beinhalten.
Ich glaube z.B. nicht, daß ich von ganz alleine dazu gekommen wäre, im letzten Herbst einen Club mit einigen anderen Jugendlichen zu gründen, in dem wir uns vorgenommen haben, soziale Probleme in unserer Umgebung durch aktive Hilfe zu vermindern.
Natürlich fühle ich mich dadurch nicht vollständig befriedigt. Dadurch, daß mein Bewußtsein immer offener für Probleme wie Ungerechtigkeit, Unfrieden und Zerstörung der Lebensgrundlagen geworden ist, stelle ich mir auch immer mehr Fragen zur Lösung dieser komplexen Probleme und erkenne oft meine Ohnmacht und die Grenzen, an die ein einzelnes Individuum stößt.
Gerade deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig, daß sich die Menschheit zusammentut. Deshalb ist es wichtig, gemeinsame Werte zu finden, durch die die Menschen, entgegen der Entwicklung zu individualistischen Einzelkämpfern, zusammengebracht werden können, um so gemeinsame komplexe und globale Probleme besser lösen zu können. Nur gemeinsam können wir versuchen, "den Karren aus dem Dreck zu ziehen".
Natürlich bin ich dabei nicht der Meinung, daß alle Menschen "zurück auf die Bäume" sollen. Die Effizienzrevolution, wie sie im Buch "Faktor 4" von Ernst-Ulrich von Weizsäcker angedeutet wird, ist eine, in meinen Augen im Moment die beste, Herangehensweise an solche komplexen Probleme, die gemeinsam vielleicht eher gelöst werden könnten.
Dadurch kann ich mir auch nicht vorstellen, welche negativen Faktoren ein Weltethos "haben" könnte. Es kann meiner Ansicht nach nur kritische Einwände zur Verwirklichung dieser Idee geben.
So gibt es das Argument, daß es nicht in unserer Natur liege, daß wir nicht für ein Weltzusammenleben geschaffen sind, da jedes Individuum durch egoistische Züge geprägt ist. Wie es z.B. zur Natur gehört, daß Menschen Tiere töten, um dadurch Nahrung zu bekommen, könnte man nämlich allgemein sagen, daß es zur Natur gehört, daß jeder seinen egoistischen Trieben nachgehen will, ohne Rücksicht auf andere. Dieser Gedanke entsteht nicht zu Unrecht, besonders wenn man die vielen Ungerechtigkeiten und Kriege in unserer heutigen eigentlich offenen Welt betrachtet.
Aber andererseits sieht man auch, wenn man die vergangenen Jahre betrachtet, wieviel sich, auch in bezug auf Bewußtsein und Einstellung, geändert hat und wie schnell als radikal angesehenen änderungen oft vonstatten gehen können (in Deutschland z.B. nach der Studentenrevolution oder im negativen Sinne vor dem Zweiten Weltkrieg).
Zurück zum Egoismus des Menschen ist ja vielleicht gerade die überwindung dieses zu individuellen Strebens des einzelnen das, was den Menschen ausmacht. Vielleicht ist es uns gerade von Gott auferlegt, den für den Menschen typischen Verstand dazu zu nutzen, um unsere Verantwortung gegenüber der Welt zu erkennen und den hohen Wert des Zusammenlebens und Zusammenhandelns, auch wenn es mit persönlichen Verzichten verbunden ist, anzuerkennen!
Natürlich ist es leicht, darüber "nur" zu sprechen oder zu schreiben. Ich sehe oft bei mir selbst, daß es schwer ist, alte Gewohnheiten abzulegen, gerade wenn sie sehr bequem für mich sind. Doch ich bin froh, daß ich immerhin schon viele Gewohnheiten aus dem Alltag bewußt wahrnehme und hinterfrage, nicht nur in bezug auf die Umwelt, sondern auch in bezug auf den Umgang mit meinen Mitmenschen.

Oft fällt mir leider erst hinterher auf, daß ein gewisses Verhalten egoistisch war bzw. einem anderen wehgetan hat, doch je öfter ich darüber reflektiere, desto eher hoffe und versuche ich, die Kluft zwischen Denken und Handeln überbrücken zu können. Denn aus einer Bewußtseinsönderung sollte schließlich die änderung der Gewohnheiten resultieren ( , wie Arns in seinem Text verdeutlicht).

Wenn einem nicht völlig egal ist, was mit sich und der Welt geschieht, muß man sich die Tatsache eingestehen, daß ohne eine radikale Bewußtseinsänderung, die auch auf das Handeln Wirkung hat, keine langfristige Zukunft mehr in Sicht ist. Die Welt-Ethos-Idee stellt meiner Meinung nach im Moment den einzigen Weg zu einer solchen änderung dar.
Allerdings finde ich, daß man das Weltethos dabei nicht, wie es hier teilweise ausgelegt wurde, als eine Art Organisation ansehen darf. Es stellt vielmehr eine Zusammenfassung von hohen abstrakten Idealen dar, die über den (meisten) Religionen und Kulturen stehen.

Wie bei Platon die höchste Idee niemals ganz zu erreichen und zu erfassen sein wird, werden wir auch diese Ideale nicht vollständig erreichen können. Aber genau so, wie der Gefangene im Höhlengleichnis von den Fesseln gelöst wird und zum Licht emporsteigt, können auch wir uns von unserer eigenen kleinen Welt ein wenig lösen, unsere Gewohnheiten überdenken, offener für die Welt sein und uns auf den Weg zu diesen Idealen machen, uns ihnen ein wenig annähern. Dabei spielt der kategorische Imperativ eine bedeutende Rolle; denn auf diesem Weg sollte man sich jederzeit überlegen, ob man will, daß seine eigenen Wertvorstellungen zu allgemein gültigen Normen und Richtlinien werden.

Ich bin glücklich mit meinem Leben und würde mir wünschen, daß alle so fühlen würden. Dadurch gäbe es sicherlich auch viel weniger Agressionen und Kriege.

Vor einigen Wochen hat mein kleiner Cousin, der 7 Jahre alt ist, ein Buch über das Weltethos bei mir gesehen und mich nach dem "komischen" Wort gefragt. Auf meine Antwort, daß das Weltethos den Streit und Krieg in der Welt abschaffen wolle, hat er freudestrahlend erwidert, daß es dann keine "Nachrichten mit schrecklichen Bildern mehr geben" würde. Obwohl diese Feststellung naiv erscheint, hat sie mir deutlich gemacht, daß ein gewisses Potential im Menschen vorhanden ist, sich einem Weltethos anzunähern. Besonders bei den nachfolgenden Generationen könnte durch entsprechende Erziehung ein Bewußtsein dafür geschaffen werden.

Zurück zum Unterricht habe ich persönlich dadurch wirklich eine Art neue Lebensperspektive gefunden. Dazu beigetragen haben vor allem auch die Besuche bei Frau Albano-Müller, deren Persönlichkeit und Einstellung zum Leben mich stark beeindruckt haben. Ihren Spruch "Sag niemals nie" finde ich auch bezogen auf die Realisierung eines Weltethos angemessen. Wieso sollte man es also nicht versuchen, in diese Richtung zu streben.
Motiviert dazu wurde ich auch durch die vielen berühmten Persönlichkeiten , die einem kulturübergreifenden Wertesystem zustimmen.

Speziell zum Oberthema dieses Halbjahres "Die Bedeutung von Regelsystemen für das menschliche Denken, Fühlen und Handeln" muß ich sagen, daß ich es sehr interessant fand, einmal darüber nachzudenken, inwieweit ich selbst mit meinem eigenen Denken, Fühlen und Handeln durch ein bestimmtes Regelsystem geprägt bin. Mir ist eigentlich jetzt erst richtig bewußt geworden, daß hinter allen Gewohnheiten ein ganz bestimmter Sittenkodex versteckt ist, der sie, die Gewohnheiten, überhaupt erst bestimmt.
Als zweiter Reflexionsschritt kommt hinzu, die Richtigkeit bzw. Notwendigkeit von verschiedenen eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen und in Frage zu stellen. Dieser Schritt ist schon viel schwieriger durchzuführen, da Gewohnheiten fest verankert und unangenehm zu lösen sind. Dazu müssen oft erst bestimmte Anstöße von der Außenwelt erfolgen, um seinen eigenen Gewohnheiten, also im Grunde sich selbst, mit einer Art Skepsis entgegenzutreten und sie (die Gewohnheiten) womöglich noch zu ändern.
Der Unterricht hat in vielerlei Hinsicht dazu beigetragen, mir diesen zweiten Schritt zu ermöglichen, nämlich viel öfter über meine eigenen Gewohnheiten und ihre Qualitäten in bezug auf den Umgang mit der Natur und mit meinen Mitmenschen nachzudenken.
Darum finde ich auch, daß das Thema dieses Halbjahres sehr wichtig war und viel gebracht hat - jedenfalls mir persönlich. Es hat meinen Horizont um erhebliches erweitert und mich selbstkritischer gemacht."

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