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Rückblick auf den Philosophieunterricht 12.1 – 13.2

„Mit dem Ausdruck „Weltphilosophie“ ist offenbar eine Beziehung zwischen den in der Welt existierenden Lehren und Theorien über u.a. philosophische Gedanken und Fragestellungen gemeint.

Im Vordergrund steht hierbei weniger, ob es sich um politisches, naturwissenschaftliches oder ähnliches Gedankengut handelt, als vielmehr, daß Weltphilosophie kulturübergreifend, also „interkulturell“ gedacht werden muß. (....)

Die wichtigste Voraussetzung für Weltphilosophie ist natürlich der Wille zur Durchsetzung einer übergreifenden Verständigung über die in den Kulturen vorherrschenden Weltanschauungen.

Dies kann die Folge haben, daß zwei oder mehrere völlig verschiedene Weltanschauungen von verschiedenen Kulturen verbunden und im günstigsten Fall sogar gegenseitig völlig verstanden werden. (....)

Weltphilosophisches Denken findet auch bei Jaspers große Bedeutung und wird dort definiert als eine Form von Geschichtsdenken, die durch Betrachtung der Weltgeschichte der Philosophie, die Betonung muß hier auf der Silbe „Welt-“ liegen, in der Lage ist, zu neuen übergreifenden Sichtweisen zu gelangen.

Als Voraussetzungen für dieses Denken nennt Jaspers die Verbreitung des „philosophischen Glaubens“ , den „goldenen Mittelweg“ zwischen religiösem Glauben und dem Wissenschaftsglauben.

Ersterem steht Jaspers negativ gegenüber, da er mit seinem Glauben an eine religiöse Offenbarung den Anspruch auf Allgemeingültigkeit der eigenen Wahrheit („Wahr ist, was mit unserer Lehre übereinstimmt“) erhebt und damit die eigene Lehre verabsolutiert; den Wissenschaftsglauben lehnt Jaspers (zumindestens teilweise) ab, da man mit ihm Gefahr läuft, durch Verabsolutieren der Wissenschaften („Wir haben Gottes Plan gefunden und der ist der einzig gültige“ ) einen Wissenschaftsaberglauben zu erschaffen, der aber nur Illusionen erkennen läßt, da man das eigene Gedankengut unzulässigerweise für das einzig Vollkommene hält.

Jaspers befürwortet dagegen den erwähnten philosophischen Glauben, der (...) Offenheit und Toleranz fordert, daher Verabsolutierungen ablehnt und damit überhaupt erst ermöglicht, mit anderen Menschen, Institutionen, Kulturen usw. zu kommunizieren.

Erst diese Kommunikationsbereitschaft macht es nach Jaspers möglich, eine kritische Haltung gegenüber fremden Traditionen/Kulturen einzunehmen, da nur dadurch Verständnis und Respektierung aufgebaut werden können, was für eine Kritik notwendig ist.

Auf diesem Hintergrund wird auch Jaspers Verständnis von Weltphilosophie deutlich, die nicht etwa als „Stoffsammlung der Philosophien der Welt“ oder als eine konkrete philosophische Disziplin zu sehen ist, sondern dadurch gekennzeichnet wird, daß der Pluralismus von philosophischem Gedankengut anerkannt wird, also neben der eigenen auch andere Denkweisen zu philosophischen Fragen akzeptiert werden. (...)

Als Beispiel dafür, zwei unterschiedliche Weltanschauungen zum gegenseitigen Verständnis unter einen Hut zu bringen bzw. sich über die Unterschiede klar zu werden, sind u.a. die Stunden unserer Unterrichtsreihe zu nennen, bei denen wir die unterschiedlichen Begründungen des Wissenschaftlers und des mythisch Denkenden für den Eintritt eines bestimmten Ergebnisses untersuchten und verglichen. Wir kamen zu dem Ergebnis, daß der Wissenschaftler anhand von empirischen Feststellungen und Experimenten auf ewig geltende Gesetzmäßigkeiten folgert, wogegen der Mythischdenkende als Erklärung für ein Naturereignis ansieht, daß ein Gott einmal dieses Ereignis bewirkt bzw. vollzogen hat und dadurch die Gesetzmäßigkeit entstanden ist, die daher nicht ewig gilt.

Von ihrer Art unterscheiden sich diese Ansätze darin, daß der mythische unantastbar ist, wogegen der Naturwissenschaftler seine Theorien durch Experimente stützen oder verwerfen kann.

Zur Beschreibung des inhaltlichen Unterschieds zwischen den beiden Weltdeutungsschemata Mythos und Wissenschaft erkannten wir, der Mythos erkläre die existentiellen Fragen der Menschen durch Bilder, wogegen die Wissenschaften abstrakte Begriffe verwenden, die nur „Eingeweihten“ verständlich sind.

Diese Erkenntnis, zu der wir bei der Auseinandersetzung mit C.F.v.Weizäckers Vorlesungen „Die Tragweite der Wissenschaft“ über kosmogonische Mythen gelangten, fanden wir auch im Gespräch zwischen Heisenberg und Pauli aus dem Buch „Der Teil und das Ganze“ von W.Heisenberg. Als plausibles Beispiel für den erwähnten Unterschied zwischen Wissenschaft und Mythos bot uns dieser Text die Quantentheorie an: in abstrakter mathematischer Sprache sind Wissenschaftler zwar in der Lage, kulturübergreifend Aussagen zu formulieren, die für den Europäer, Inder usw. das Gleiche bedeuten. Wollten sie einem Uneingeweihten diese Aussagen jedoch erklären, so müssten sie, wie der Mythos es von vorneherein tut, auf Gleichnisse und Bilder zurückgreifen, nämlich auf die Form der uns bekannten „natürlichen Sprache“, die wir in unserer Kultur als Modelle bezeichnen. Die Quantenmechanik ist in sofern als Beispiel zu sehen, da man die Phänomene des Lichts zwar mathematisch beschreiben, zur Verdeutlichung aber auf widersprüchliche Modelle, Wellen und Teilchen, zurückgreifen muss und so der berühmte Dualismus entsteht.

Diese wie auch naturwissenschaftliche Aussagen allgemein lassen sich mit Hilfe des Platonischen Höhlengleichnisses verdeutlichen.

Bei diesem Gleichnis sind Menschen so in Höhlen angekettet, dass sie von unserer wirklichen Welt nichts sehen können. Stattdessen halten sie Schatten von künstlichen Gegenständen, die von einer Lichtquelle an die Höhlenwände geworfen werden, für die Wirklichkeit. Die Entstehung von „Ideen“ bzw. das Finden von Erkenntnissen vollzieht sich nun dadurch , das einer der Angeketteten befreit wird, nacheinander nun die künstlichen Gegenstände sowie die Lichtquelle sieht und, nachdem er die Höhle verlassen hat, diejenigen Gegenstände mit ihren Schatten sieht, die wir in unser Welt für wirklich halten und dadurch der Wahrheit (Sonne im Gleichnis) näherrückt.

Auch die Erkenntnis der Wissenschaften lassen sich an einer Erkenntnisebene im Höhlengleichnis anordnen, die der Sonne nachsteht und die Überblick ermöglicht, beispielsweise in der Form allgemeiner mathematischer Gleichungen, zu deren Interpretation bzw. Verdeutlichung man sich aber Bildern bedient, die man nur findet, wenn man sich von der Wahrheit (in Richtung Höhle) wieder entfernt.

Nebenbei lässt sich Heisenbergs Text auch mit der geschilderten Auffassung von Jaspers verknüpfen, die den Wissenschaftsaberglauben als verabsolutierten Wissenschaftsglauben ablehnt. Diese Strömung von Weltdeutungsschema, die Heisenberg als Positivismus bezeichnet, teilt die Welt ein in klar eingeteilte Sachverhalte und alles übrige, über das man schweigen müsse, also in den „objektivierbaren Bereich“ der Positivsten, der nur einen sehr kleinen Teil unserer Wirklichkeit ausmacht und den „subjektiven Bereich“, über den in verschiedenen Kulturen entsprechend den Weltanschauungen verschieden gedacht werden kann.

Nach Klärung der Eigenschaften und des Wesens der Weltphilosophie wende ich mich nun den Sternbeobachtungen zu.

Die Himmelsbeobachtungen, bei denen man die Sterne zu bestimmten Strukturen geordnet und so den entstehenden Sternbildern Namen gegeben werden, stellen ein weiteres konkretes Beispiel für weltphilosophisches Denken dar, wenn man in die Überlegungen mit einbezieht, dass die meisten Kulturen zwar das gleiche Bild vom Himmel und den Sternen sahen (wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven), sie aber unterschiedlich ordneten, benannten und sich auch unterschiedliche Geschichten zu ihrer Entstehung erzähl(t)en.

So wie man sich in einer Kultur vorstellt, der Orion sei ein Held, der durch Besiegen des Drachen, ebenfalls ein Sternbild, das Versiegen des lebenswichtigen Flusses Eridanus verhindert habe, gibt es zum gleichen Zweck unterschiedliche Sternbildnamen und Geschichten bei chinesischen, japanischen, indischen usw. Kulturen.

Im Zusammenhang damit steht ebenfalls, dass jede Kultur sich mit ihren eigenen Geschichten identifiziert, ihre eigene Situation sich also irgendwo in der Geschichte widerspiegelt, so dass man vermuten kann, dass z.B. Wassermangel und seine Verhinderung ein bekanntes Problem der Kultur mit der erwähnten Sternbildgeschichte darstellt.

Diese Identifikation der Kulturanhänger mit „ihrer“ Geschichte lässt sich vergleichen mit der Identifikation von Kindern gegenüber Märchengestalten, die wir am Textauszug aus „Kinder brauchen Märchen“ von Bruno Bettelheim beobachteten. Zentraler Gedanke hierbei war, dass Kinder, die sich mit Märchengestalten identifizieren, im Märchen Sinn finden und das moralisch Gute unbewusst lernen.

Auch das Unvergänglichkeitsbedürfnis, also die Sehnsucht nach ewigem Leben bzw. die Angst vor Einsamkeit und Tod wird Kindern durch Märchen genommen, da sie dort erkennen können, dass auch Märchengestalten ewig leben(„...und wenn sie nicht gestorben sind...“) bzw. das zwischenmenschliche Beziehungen Einsamkeitsängste verhindern.

Denkt man diesen Gedanken noch weiter, so könnte man vielleicht zu dem Schluss kommen, dass Pascal und Heidegger offenbar in ihrer Kindheit zu wenig Märchen erzählt worden sind, da Pascal sich in den „grauenvollen Räumen des Universums“ einsam, ohnmächtig, unwissend und gefesselt fühlt und seinen Tod als das einzig gesicherte ansieht und Heidegger sich die Angst vor dem Tod als Grundbefindlichkeit des Menschen vorstellt, die man von Geburt an durch einen Angstgenerator im Innern mit auf die Welt bringt.

Weltphilosophisches Denken auf das Beispiel der Sternbilder angewandt besteht nun darin, diese Geschichten, die man auch als Mythen zur Sternbildentstehung bezeichnen könnte, zwischen den Kulturen auszutauschen, diese vorurteilsfrei als gleichwertig anzusehen und auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu untersuchen.

Wir erkannten zwischen den einzelnen Phasen bei der Sternbeobachtung und der Entstehung eines Weltdeutungsschemas auch die folgende Analogie: Zuerst verhält man sich wie jemand, der den Sternenhimmel noch nie gesehen hat: man erkennt nur Punkte. Dieses Stadium entspricht zum Beispiel dem neugeborenem Inder, Japaner usw., der noch keine Sprache spricht, also noch keine Weltdeutung vornehmen kann. Anschließend erkennt man am Sternenhimmel Muster, indem man die Punkte gedanklich verbindet. Diese Phase entspricht den ersten Erfahrungen des Neugeborenen, möglicherweise auch den ersten erlernten Worten. Die Zusammensetzung eines „Sternbildmythos“ entspricht als nächste Stufe dem vollständigen Erlernen einer Sprache als Weltdeutungsschema.

Da mehrere Kulturen die Sterne neben ihrer Funktion als Göttersymbole zur Orientierung benutzt haben, wäre es interessant festzustellen, inwiefern sich diese Funktionen in den Entstehungsgeschichten der Sterne/Sternbilder äußern oder wie dort erklärt wird, dass die Sterne als Leuchterscheinungen gesehen werden. Möglicherweise spiegelt sich bei der Betrachtung dieser Art von Mythen auch die mystische Wirkung des Sternenhimmels bzw. eines Sternbildes sowie der Symbolcharakter wieder, der sich, wie wir in unserer Unterrichtsreihe „Was beeinflusst unser Fühlen, Denken und Handeln“ erkannten, nicht nur auf Götter beziehen muss. (...).“

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